Dusselig - “Ekel Alfred” auf der großen Bühne

Freitag, 8. März 2019




53,05 €! 


Das Theater am Potsdamer Platz gilt als eines der größten in Deutschland und ist eigentlich für Musicals erdacht und gebaut. Die große Bühne. Die große Show. Das große Geld. Über 1.700 Zuschauer passen rein. Ich musste 5 Etagen laufen, um meinen Platz im 2. Rang zu erreichen. Die Beine haben mir gebrannt als ich oben ankam. 1.200 Zuschauer werden es wohl schon sein, schätze ich. Von so weit oben hat mein einen guten Überblick. Das Publikum ist relativ jung, jünger als in gewöhnlichen Theatervorstellungen. “Ekel Alfred” ist zu Gast. Also so heißt das Stück, eine Bühnenfassung mit 2 Folgen der beliebten Fernsehserie “Ein Herz und eine Seele”, aufgeführt vom Team und Ensemble der Kammer Oper Köln. Inszenierung Wolfram Fuchs, der auch Alfred Tetzlaff spielt. Ein einmaliger Auftritt in Berlin, soweit ich das weiß. Mit dem Stück tingelt man jetzt durch die Lande. Ich mochte die Serie. Aber 53,05 € für eine Karte? Und ich sitze ja auch nur am Arsch der Welt. Meine Güte. Was wollen die da auffahren? Die Bühne wirkt winzig. Die Schauspieler tragen Mikrophone, was albern aussieht, aber bis in den 5. Stock soll man sie ja auch verstehen. 2 Folgen sind angekündigt. “Frühjahrsputz” und “Silberne Hochzeit”. Klassiker. Ich kann quasi mitsprechen. Will ich aber nicht. Eine mutige Neuinterpretation, dass würde mir gefallen. Mit Bezügen zur aktuellen Tagespolitik. Machen sie aber nicht. Nach 30 Sekunden ist klar, dass wird ein Theater-Karaoke-Abend. Ein sehr teurer. 

20 Minuten vor Beginn. Der Saal riesig, die Erwartungen ebenso.

Wolfram Fuchs als “Alfred” trägt einen angeklebten schwarzen Schnurrbart, der nicht zu den grauen Haaren passt und auch viel zu breit ist. Er versucht wie Heinz Schubert zu klingen, der damals die Rolle seines Lebens spielte. Das kann natürlich nicht gelingen, obwohl sich Wolfram Fuchs wirklich Mühe gibt. Die sonstige Besetzung, ein Totalausfall. Doris Otto quält sich als naive „Else“, „Rita“, gespielt von Karin Punitzer, kann überhaupt nichts mit der zugeteilten Rolle anfangen, „Michael“, im Original vom genialen Dieter Krebs gespielt, hier von Mario Zuber, spielt, wie der Sprecher der Radiowerbung der Apothekenumschau spricht, das ist Arbeitsverweigerung und Hass auf den eigenen Beruf. Ich schaue mich etwas im Publikum um, denn alles ist wie in der Fernsehaufführung, nachgesprochen, nur eben viel schlechter und ich muss an die Party-Hits-CD denken, die ich als Kind mal geschenkt bekommen habe, wo die bekannten Songs aber von anderen Künstlern eingesungen wurden, deren Namen noch nicht einmal angegeben waren, wahrscheinlich um Geld zu sparen oder weil man die Rechte für die Original-Songs nicht bekommen hatte, jedenfalls kommt in mir genau das gleiche Gefühl wie damals hoch, die Enttäuschung, dass es eben anders klingt und so ist es auch heute und das sieht man auch in den Gesichtern der Zuschauer. Nach 5 Minuten Stille, nein, stimmt nicht, irgendwer hat gehustet, kann man vereinzelte Schmunzler spüren (“Du dusselige Kuh”), verhaltene Lacher (“Dir hat doch einer ins Gehirn geschissen”), Stimmung kommt keine auf. Gab es überhaupt Applaus nach dem ersten Stück? Schnell zum Bierstand. Wenn die Karten nicht so scheiß teuer gewesen wären, wäre nicht die Hälfte vom Pinkeln zurückgekommen. Da bin ich mir sicher. Also noch mal 50 Minuten durchbeißen. Wer ist nur auf die wahnsinnige Idee gekommen, Kleinkunsttheater auf so eine große Bühne zu holen. 8 € für Erwachsene, kostenlos für Kinder bis 12 Jahre. Mehr kann man doch für so was nicht nehmen. Irgendwo in einem Gemeindesaal. Mit Wienern auf Pappdeckeln aus dem Topf der freiwilligen Feuerwehr. Aber selbst dann wäre ich in der Pause gegangen. Am Ende, beschämter Applaus, Anstandshalber. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass 1.200 Menschen jemals so leise waren.
Wenn man das Theater verlässt, muss man an der Spielbank Berlin vorbei. Die ist direkt nebenan. Roulette, Black Jack, Poker und Automaten. Alles leuchtet. Bestimmt 50 Leute aus der Vorstellung stürmen rein und wollen ihr Geld zurück. Hoffentlich haben sie Erfolg.

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