Gastautor Johannes „Jo“ Bauer*
hat eine abstinente Woche eingelegt und die Eindrücke des radikalen Experimentes für uns protokolliert.
Montag:
Aufstehen. Durst. Wasser. Das Wochenende steckt mir in den Knochen. Zum Frühstück
Aspirin. Heute kein Taxi, sondern mit dem Auto zur Arbeit. Es springt sogar noch an.
Mittag zu Tisch Pasta beim
Italiener. Allein. Die Kollegen in der Kantine. Den Wein höre ich schon beim
Betreten des Lokals entkorken. Ich winke ab. Der Wirt legt die Stirn in
Falten.
Dann Feierabend. Stille in der Wohnung.
Langeweile. Dem Liebchen sage ich ab und gehe früh ins Bett.
Dienstag:
Besser. Auf
Arbeit bleibe ich länger. Was soll ich jetzt Zuhause? Bar ist gestrichen. Die Kollegin
will mich noch sehen. Über uns reden. Drängelt. Bedrängt. Mir ekelt.
Ich
gehe alleine ins Kino. Schlafe dort ein. Auf dem Rückweg bleibe ich vor einer
Kneipe stehen. Die Fenster sind beschlagen. Niemand öffnet die Tür.
In der
Wohnung setze ich mich ans Fenster. Mache mir einen schwarzen Tee und lese lange
etwas Einfaches. In der Nacht wache ich mehrmals auf.
Mittwoch:
Nehme mir frei. Eine
halbe Stunde joggen. Später Einkaufen. Essen. Langeweile. Nickerchen. Putze die
Wohnung. Ein Saustall.
Abend zum Karten spielen. Verliere fast ein Monatsgehalt
beim Pokern. Viel zu klar der Verstand. Witze auf meine Kosten. Die anderen
ziehen weiter. Stripclub, Casino, Puff.
Liege im Bett. Rufe
das Liebchen an. Sie ist in eine klebrige Fahne gehüllt. Wo kam die eigentlich
her? Es geht viel zu schnell. Sie nimmt es als Kompliment. Ich schäme mich und
war nie durstiger.
Donnerstag:
Bin früh wach und
mit dem Rad zur Arbeit. Der erste Sonnenaufgang seit Jahren. Die Kollegen
dünsten am Morgen noch den Feierabend aus.
Abend zum Juristen-Stammtisch. Alle
sind laut und aufgeregt. Die Zigaretten schmecken nicht mehr. Ich spiele den
Kranken und darf ohne Runde gehen. Ein Bad hilft mir beim Einschlafen.
Freitag:
Sauftag. Eigentlich.
Überall. Der Parkplatz bei Gericht ist leer und Lärm drängt aus den Stuben.
Ohne Mittagessen rasch daheim. Telefon aus. Verstecken.
Abend geht es mir
schlecht. Lese Gedichte. Krame in alten Fotos rum.
Samstag:
Voller Elan. Mittag
bringt die Ex-Frau das Kind. 24 Stunden Ablenkung. Zum Fußball gehen, kann ich zum
Glück ausreden.
Bleiben in der Wohnung, bestellen uns Berge voll Essen. Mir
fehlt nichts und schlafe rasch ein.
Sonntag:
Tatendrang. Mit dem
Kind ganz früh auf den Trödelmarkt. Eine alte Schreibmaschine gekauft.
Kind
abgegeben. Einige Zeilen Protokoll getippt.
Die Woche ist fast rum. Zu
Fuß zur Tankstelle. Champagner und Wein gekauft. Telefonbuch durchgeblättert.
Kollegin eingeladen. Anständig bis Mitternacht gewartet.
(*Name geändert)