53,05 €!
Das Theater am Potsdamer Platz
gilt als eines der größten in Deutschland und ist eigentlich für Musicals
erdacht und gebaut. Die große Bühne. Die große Show. Das große Geld. Über 1.700
Zuschauer passen rein. Ich musste 5 Etagen laufen, um meinen Platz im 2. Rang
zu erreichen. Die Beine haben mir gebrannt als ich oben ankam. 1.200 Zuschauer
werden es wohl schon sein, schätze ich. Von so weit oben hat mein einen guten
Überblick. Das Publikum ist relativ jung, jünger als in gewöhnlichen
Theatervorstellungen. “Ekel Alfred” ist zu Gast. Also so heißt das Stück, eine
Bühnenfassung mit 2 Folgen der beliebten Fernsehserie “Ein Herz und eine
Seele”, aufgeführt vom Team und Ensemble der Kammer Oper Köln. Inszenierung
Wolfram Fuchs, der auch Alfred Tetzlaff spielt. Ein einmaliger Auftritt in
Berlin, soweit ich das weiß. Mit dem Stück tingelt man jetzt durch die Lande.
Ich mochte die Serie. Aber 53,05 € für eine Karte? Und ich sitze ja auch nur am
Arsch der Welt. Meine Güte. Was wollen die da auffahren? Die Bühne wirkt winzig.
Die Schauspieler tragen Mikrophone, was albern aussieht, aber bis in den 5.
Stock soll man sie ja auch verstehen. 2 Folgen sind angekündigt.
“Frühjahrsputz” und “Silberne Hochzeit”. Klassiker. Ich kann quasi mitsprechen.
Will ich aber nicht. Eine mutige Neuinterpretation, dass würde mir gefallen.
Mit Bezügen zur aktuellen Tagespolitik. Machen sie aber nicht. Nach 30 Sekunden
ist klar, dass wird ein Theater-Karaoke-Abend. Ein sehr teurer.
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20 Minuten vor Beginn. Der Saal riesig, die Erwartungen ebenso. |
Wolfram Fuchs als “Alfred”
trägt einen angeklebten schwarzen Schnurrbart, der nicht zu den grauen Haaren
passt und auch viel zu breit ist. Er versucht wie Heinz Schubert zu klingen,
der damals die Rolle seines Lebens spielte. Das kann natürlich nicht gelingen,
obwohl sich Wolfram Fuchs wirklich Mühe gibt. Die sonstige Besetzung, ein
Totalausfall. Doris Otto quält sich als naive „Else“, „Rita“, gespielt von
Karin Punitzer, kann überhaupt nichts mit der zugeteilten Rolle anfangen, „Michael“,
im Original vom genialen Dieter Krebs gespielt, hier von Mario Zuber, spielt, wie der Sprecher der Radiowerbung der
Apothekenumschau spricht, das ist Arbeitsverweigerung und Hass auf den eigenen
Beruf. Ich schaue mich etwas im Publikum um, denn alles ist wie in der
Fernsehaufführung, nachgesprochen, nur eben viel schlechter und ich muss an die
Party-Hits-CD denken, die ich als Kind mal geschenkt bekommen habe, wo die
bekannten Songs aber von anderen Künstlern eingesungen wurden, deren Namen noch
nicht einmal angegeben waren, wahrscheinlich um Geld zu sparen oder weil man
die Rechte für die Original-Songs nicht bekommen hatte, jedenfalls kommt in mir
genau das gleiche Gefühl wie damals hoch, die Enttäuschung, dass es eben anders
klingt und so ist es auch heute und das sieht man auch in den Gesichtern der Zuschauer.
Nach 5 Minuten Stille, nein, stimmt nicht, irgendwer hat gehustet, kann
man vereinzelte Schmunzler spüren (“Du dusselige Kuh”), verhaltene Lacher
(“Dir hat doch einer ins Gehirn geschissen”), Stimmung kommt keine auf. Gab es
überhaupt Applaus nach dem ersten Stück? Schnell zum Bierstand. Wenn die Karten nicht so scheiß teuer
gewesen wären, wäre nicht die Hälfte vom Pinkeln zurückgekommen. Da bin ich mir
sicher. Also noch mal 50 Minuten durchbeißen. Wer ist nur auf die wahnsinnige
Idee gekommen, Kleinkunsttheater auf so eine große Bühne zu holen. 8 € für Erwachsene,
kostenlos für Kinder bis 12 Jahre. Mehr kann man doch für so was nicht nehmen.
Irgendwo in einem Gemeindesaal. Mit Wienern auf Pappdeckeln aus dem Topf der
freiwilligen Feuerwehr. Aber selbst dann wäre ich in der Pause gegangen. Am
Ende, beschämter Applaus, Anstandshalber. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass
1.200 Menschen jemals so leise waren.
Wenn man das Theater verlässt, muss man
an der Spielbank Berlin vorbei. Die ist direkt nebenan. Roulette, Black Jack, Poker und Automaten. Alles leuchtet. Bestimmt 50 Leute aus der Vorstellung stürmen rein und wollen ihr
Geld zurück. Hoffentlich haben sie Erfolg.