Wir treffen Hassan H. (17) in einer
schäbigen Sozialwohnung, die massiven Holzdielen knarzen, im Kamin beginnt das
spärliche Feuer zu versiegen. Hassan H. lebt von staatlicher Unterstützung,
"Taschengeld", wie er es selber nennt, der 3-Tage-Bart wirkt
ungepflegt, auf dem Couchtisch liegen neben leeren Bierflaschen aus braunem
Plastik und polnischen Zigaretten auch Werkzeuge zur Konsumierung harter
Drogen. Hassan ist ein gebrochener Mann. Denn Hassan hat einen Fehler begangen.
Als er vor 2 Jahren den Gräueln des tunesischen Bürgerkrieges entkam, Frau und
4 Kinder zurücklassen musste, suchte er sein Glück in Deutschland. Hassan
verwirklichte seine Geschäftsidee und begann im sog. "Darknet" den
Handel mit gebrauchten Elektroartikeln und starken Beruhigungsmitteln für
Frauen, die sich nur langsam verliebten und vornehmlich von Männern ohne Zeit
gekauft wurden. "Ich verdiente nicht viel, aber mit den Zuschüssen vom Amt
kam ich über die Runden", erinnert sich der kräftige junge Mann.
"Irgendwann liefen die Geschäfte immer schlechter, viele meiner Kunden
konnten nicht zahlen oder waren nicht mehr zu erreichen, ich musste richtig
Druck machen. Mein wichtigster Kunde überwies mir dann nach langem Hin und Her ungefragt
einen sog. »Bitcoin«. Ich konnte damals überhaupt nichts damit
anfangen und druckte mir den Bitcoin als Münze an meinem 3D-Drucker aus. Aber
kein Geschäft wollte die Münze annehmen, obwohl sie so schön glänzte und
richtig was hermachte. Ich hatte die Münze dann immer dabei, auch in meinem
Urlaub in Rom.
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Triton-Brunnen auf der Piazza Barberini in Rom |
Von meinem Hotel-Balkon konnte ich dann den Triton-Brunnen auf
der Piazza Barberini sehen und mir schoss eine Idee durch den Kopf. Bei meinem
vorangegangenen Urlaub in Paris habe ich gesehen, dass viele Touristen
Geldstücke in bekannte Brunnen warfen und sich dabei etwas wünschten. Ich
sehnte mich nach einer deutschen Frau, einen roten Ferrari und ein großes Haus. Also
warf ich die Münze rückwärts über meine Schulter in den Brunnen. Sie war ja aus
Pappe und löste sich sofort auf…" Hassan schießen Tränen in die Augen,
sein Blick verirrt sich im Kaminfeuer. "Vor einigen Tagen rief mich dann
der ehemalige Geschäftspartner an. Ob ich den Bitcoin noch hätte. Der Kurs sei
durch die Decke gegangen und ich jetzt doch auch Millionär sei. Er selbst habe
früher etliche Bitcoins besessen, mittlerweile alles verkauft und steinreich.
Erst kürzlich habe er sich das Gemälde »Salvator Mundi« von Leonardo da Vinci
in New York beim Auktionshaus Christie’s für rund 450 Millionen Dollar
ersteigert und sich dabei als saudiarabischer Prinz ausgegeben. »Peanuts«
seien das für ihn gewesen und das Bild hängt jetzt bei ihm über dem
Klo".
Hassan winkt ab und zündet sich eine
Zigarette an. Seine Hände zittern, erste graue Haare zeichnen sich an seinen
kurz rasierten Schläfen ab. "Er müsse jetzt los", Hassan wirkt
fahrig. Wir verabschieden uns, lassen etwas Geld und unsere Kontaktdaten da.
"Falls er mal reden will."
Später, während wir unser
Interview-Equipment im Auto verstauen, sehen wir Hassan mit gesenktem Kopf in
eine kleine Kneipe steuern. Draußen beginnt es zu schneien. Durch die milchigen
Fenster sehen wir Hassan, wir er aus seiner Hose einige Münzen nestelt und vor
einem Spielautomaten Platz nimmt. Er schaut die Münzen lange an. In dem bunt funkelndem Licht sehen wir ein Lächeln über sein
Gesicht huschen.