In der letzten Zeit wurde immer wieder über das grundlegende Zerwürfnis zwischen Radfahrern und Autofahrern geschrieben und berichtet und dass die einen zu schützen und die anderen zu disziplinieren seien und man sich nicht selten nach dem Leben trachtet und die Beteiligten am besten getrennt werden sollten, so wie man es mit rivalisierenden Fußballfans schon seit Jahren vor den Eingangstoren der Stadien macht, unversöhnlich und entschlossen. Wenig untersucht ist jedoch der Hass unter den Radfahrern, die doch in der öffentlichen Diskussion als moralisch wertiger und liebenswürdiger dargestellt sind, stets Opfer, grün, urban, hip, zerquetscht und verreckend, unter stinkenden Autoreifen und vollgepissten Stoßstangen. Radfahrer sind aber keine homogene Gruppe. Tatsächlich sind die Unterschiede zu groß, die Interessen konträr, die Fahrweisen, das Aussehen, die angesteuerten Ziele, unvereinbar. Eine Straße nur für Radfahrer, bliebe eine Straße voller Hass.
Ich selbst hasse auch. Besonders die Radfahrer mit grellen Warnwesten, blinkenden Helmen auf den Köpfen und unzählige Lichterketten am Körper, die ihre Sattel auf abnorme Höhen gestellt haben, weil man das im Fachgeschäft so erklärt bekommen hat und vor Ort mit einem Laser ausgemessen wurde, die für ihre Räder tausende Euro ausgeben, und die in einer Bank oder als Architekten arbeiten, immer gehetzt, nie Zeit haben, auf der Arbeit prallen, dass sie mit dem Rad schneller als mit dem Auto sind und ihre Kollegen damit nerven und denen ich dann im Weg bin, auf deren einstudierten Wegen und Fahrtzeiten, wenn sie dann abbremsen müssen, und trotzdem viel zu dicht an mir vorbeifahren und warnend viel zu laut klingeln.
Ich hasse Radfahrer, die klapperdürr oder spindeldünn auf Hipster-Rädern rumeiern, Mädchen auf riesigen alten Rennrädern, mit viel zu kurzen Beinen und Lenkern, nie Licht an haben, die keinem Hindernis ausweichen können, sich auf Englisch entschuldigen, nach der Kollision, die fahrenden Schrotthaufen, die mir im Weg sind, entgegen kommen und manchmal auf dem Rad sogar telefonieren.
Ich hasse auch Alte und Kinder auf Rädern, weil man bei denen immer bremsbereit sein muss oder Radfahrer, die das Radfahren als Sport betreiben und man sich dann immer so sehr erschreckt, wenn sie ganz plötzlich an einem vorbeirasen. Alle hasse ich. Und sie mich.
Und wenn ich Auto fahre, hasse ich und werde gehasst. Ich hasse Fußgänger, wenn sie im Weg stehen und werde selbst dafür gehasst. Der Busfahrer hasst mich, wenn ich nicht passend zahle. Ich hasse ihn, wenn er zu spät kommt. Hass gehört in den Nahverkehr. Der Krieg gehört zur Straße. Es gibt keine Versöhnung. Alle sind Täter. Sprecht nicht in meinem Namen.