"Höhere Gewinne als im Drogenhandel" - Das faule Geschäft mit dem Bio-Obst

Donnerstag, 3. März 2016

17,88  € für eine Tüte Obst - Die Katze kostet extra


Ahmet B. wirkt angespannt. Bereits seit Monaten suchen wir nach Interviewpartnern, die uns exklusives Insiderwissen zu der rasant wachsenden Bio-Szene liefern können.
Ahmet ist der einzige Händler der sich zu einem Gespräch bereit erklärt hat. Im Gegenzug müssen wir garantieren seine Identität bei der Veröffentlichung des Interviews nicht preiszugeben und ihn attraktiver und freundlicher zu beschreiben, als er in Wirklichkeit ist. Wir treffen uns in der hintersten Ecke eines kleinen Cafés, das zu einem Wettbüro gehört und in einem angesagten Berliner Kiez liegt. Ahmet B. ist 32 Jahre alt und in Dortmund geboren. Seit seinem sechsten Lebensjahr lebt er mit seiner Familie in Berlin. Das Café in dem wir uns treffen gehört seinem Cousin. Im Hintergrund läuft arabische Musik und wir bestellen einen landestypischen Tee in kleinen Gläsern. Ahmet ist ca. 2 Meter groß, hat die Figur eines Zehnkämpfers und das gewinnende Lächeln eines Zahnpasta-Models. 



„Wie laufen die Geschäfte?“ - „Bestens“. Ahmets Gesichtszüge werden weicher. Er zeigt auf seinen in der zweiten Reihe geparkten, strahlend weißen Audi A8. „Den habe ich mir vor 2 Wochen gekauft. 400 PS. Rote Ledersitze. Bose Sound-System. Bar bezahlt.“ 



Wir beginnen zu plaudern. Ahmet erzählt uns von früher, seinen Knastaufenthalten und der mühsame Handel mit Heroin und Marihuana. Fast fünf Jahre hat er deshalb eingesessen. Gelohnt hat es sich nicht. Zusammen mit seinem Arbeitslosengeld hatte er nie mehr als 3000 € im Monat zur Verfügung. Seit zwei Jahren ist damit Schluss. Ahmet hat alles hinter sich gelassen und den Weg in die Legalität gefunden. Von einem Freund bekam er den Tipp in den Handel mit Bio-Obst einzusteigen. Seitdem läuft es für ihn hervorragend. Wir wollen es genauer wissen. 



„Warum ist der Handel mit Bio so lukrativ?“ – „Wegen den Margen.“ Ahmets Augen leuchten. „Ein Kumpel aus dem Knast ist durch Zufall an eine Kiste mit Bio-Gütesiegelaufklebern gekommen und hat mir diese günstig verkauft. Ich habe dann damit angefangen auf dem Großmarkt billige Obst-Ausschussware aufzukaufen. Für nen Apfel oder Banane habe ich da 5- 10 Cent pro Stück bezahlt. Und dann habe ich meine Bio-Aufkleber draufgeklebt. Mit dem Obst bin ich dann in Reformhäuser und Bioläden rein und habe das Zeug zu einem Stückpreis von 50 Cent verkauft. Für die Händler war der Preis in Ordnung, da die das für mindestens einen Euro weiterverkaufen. Wichtig war denen nur der Aufkleber. Und nicht zu frisch durfte es aussehen und musste immer etwas gammelig sein, Druckstellen haben und so weiter. Da haben sie genau drauf geachtet. Später habe ich dann erfahren, dass viele Händler extra Katzen in ihren Läden halten, damit die überall hinpissen und so eine natürliche Bio-Atmosphäre schaffen. Es darf bei denen ja nichts nach Plaste oder Industrie riechen, sondern immer schön nach Bauernhof, weil die Kunden das erwarten. Schon in den ersten Tagen habe ich mehrere Hundert Euro gemacht. Netto. Das Geld habe ich natürlich sofort investiert und mir die Bio-Aufkleber palettenweise im Internet bestellt. Die werden in Polen gedruckt. Für einen Cent das Stück. Ich habe dann angefangen Kindern in der Nachbarschaft Geld dafür zu geben, dass sie mir Äpfel aus umliegenden Gärten oder Parks besorgen und habe denen pro Kiste ein oder zwei Euro bezahlt. In einer Kiste waren immer ungefähr 100 Äpfel drin, die habe ich dann für 50 € weiterverkauft habe. Wenn keine Saison war, habe ich Leute angeheuert, die mir den Müll aus den Containern hinter den Supermärkten und Discountern geholt haben. Sie glauben ja nicht, in welchen Mengen da Obst weggeschmissen wird. Die Marge war zwar geringer als bei den Kindern, gerade die Flaschensammler verhandeln knallhart, aber am Ende habe ich immer noch einen Profit von gut 500 Prozent gemacht. Wenn Sie sich jetzt mal vorstellen, wie mühsam ich vorher Geld verdient habe. Marihuana habe ich zum Beispiel für drei Euro das Gramm in Holland eingekauft und für 5-6 Euro weiterverkauft, je nachdem wie die Preise gerade waren. Und dann auch ständig die Angst erwischt zu werden und in den Knast zu gehen. Von der aggressiven Konkurrenz mal ganz zu schweigen.“ Ahmet legt sich zufrieden zurück und bestellt einen zweiten Tee. 



„Hattest du kein schlechtes Gewissen, schließlich erwarten die Konsumenten Bio, wo Bio draufsteht.“ – „Ich werde euch mal was sagen. Bio ist, was auf einem Baum wächst. Oder darunter. Oder daneben. Kein Bio ist, was in einer Fabrik hergestellt wird. So einfach ist das. Und meint ihr, dass ich der Einzige bin? Die Druckerei, in der ich die Aufkleber bestelle, macht jedes Jahr Millionenumsätze. Ich war mal da, als ich ne Ladung selbst abgeholt habe, weil mir der Versand zu teuer war. Da haben die ganze Lastwagen mit den Teilen beladen und nach Deutschland verschickt.“



Wir verabschieden uns. Auf dem Rückweg halten wir an einem hippen Bio-Feinkostladen in Kreuzberg. Shabby Chic. Electro-Beats. Das vegane Bananenbrot ist im Angebot. 3,50 € für eine Scheibe. Das kleine Kätzchen, dass unsere Beine schmust, schnurrt zufrieden. 



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